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Armutshilfe, Gefühlsmoral
und Ökonomie
Inhalt
Hintergrund: Kommunitarismus
1. Falsche Hilfe und Gefühlsmoral
Muss man nicht an so einem niedlichen Kind Anteil nehmen? Muss man nicht diesem kleinen Mädchen „nachhaltig“ helfen, um es zu einem „selbstständigen Leben“ zu befähigen? Muss man nicht eine Patenschaft übernehmen und spenden? - Man muss nicht!
Da kam ein Bettelbrief in meinen Postkasten, seriös aufgemacht mit dem Porträt von Bundespräsident a.D. Walter Sche das Lay-out wie ein Behördenbrief, das Logo der Hilfsorganisation oben rechts, direkte Anrede. Die Schreibweise meines Namens deutet auf das Impressum meiner Internetseite hin, wo sie die Anschrift abgekupfert haben. Am Fußende des Briefes blicken einem zwölf kleine Mädchen an, drei bis acht Jahre alt mit Namen und Herkunftsland. Ob sie traurig oder lächelnd dreinschauen, das Kindchenschema wirkt. Noch mehr wirkt es bei dem werbetechnisch perfekt gestylten Prospekt und der beiliegenden Fotografie: ein ca. dreijähriges Mädchen in farblich abgestimmter Armutskleidung. Auch im Prospekt die direkte Anrede – ganz persönlich an mich. Selbstverständlich darf eine Kinderzeichnung mit Elefanten nicht fehlen – denn es geht diesmal um arme Mädchen in der Dritten Welt, die sexistisch unterdrückt werden. Selbst das materiale Gedankenstück ist beiliegend – in Gestalt eines Gelenkbandes. Die
Hilfsorganisation „Plan“ arbeitet mit aller werbetechnischen Raffinesse.
Was geht in einem Spender vor, der die Patenschaft für ein Kind übernimmt oder für Hilfsorganisationen spendet. Die Schauspielerin Marie-Luise Marjan wird auf dem Reklamezettel von „Plan“ zitiert: „Die Eindrücke meines Besuches in Bombay waren zwar erschütternd, aber auch voller Hoffnung durch das Kennenlernen der sinnvollen und umfassenden Hilfestellung von Plan. Hieran werde ich mich beteiligen.“ Marjan hat die Not gesehen und erzeugt Illusionen, als ob „Plan“ das Elend der Dritten Welt lindern könne, als ob die Hilfe von Einzelnen das vom Kapital ständig reproduzierte Elend beseitigen könne. Für die positive Entwicklung dieser Gesellschaften ist die individuelle Hilfe belanglos. - Eine neue Flussrichtung der Verwertung des Werts auf den anarchischen Markt und neue Millionen versinken im Elend. Individuelle Hilfe hinkt da immer hinterher, ist bestenfalls ein Tropfen auf den heißen Stein, wenn nicht gar eine Alibifunktion für gekürzte staatliche Hilfe. Deshalb kann man sich auch nicht als etwas
Besseres fühlen, wenn man spendet, obwohl viele aus diesem Egoismus heraus scheinbar altruistisch ihr Geld hergeben.
Die moralische Pflicht, armen Kindern zu helfen, kollidiert mit der individuellen Form der Hilfe, die eine grundsätzliche Änderung verhindert. Selbstverständlich kann eine sinnvolle individuelle Hilfe nicht völlig abgelehnt werden. Wer sein Mitleid in Taten umsetzen oder seine moralische Verpflichtung zur Hilfe an Individuen realisieren will, etwa weil er diese Menschen kennt oder weil er eine Beziehung zu Menschen der Dritten Welt sucht, der soll dies tun. So schreibt eine Frau Stephanie Landa auf dem Reklamezettel „Für uns bedeutet die Patenschaft für ein Mädchen aus Vietnam eine willkommene Erweiterung der Familie. Besonders unsere Tochter freut sich über jeden Kontakt und löchert uns mit Fragen über Vietnam.“ Es ist eine private Entscheidung – ohne jede Bedeutung für die Lösung des Elendsproblems. Dieses lässt sich nur bekämpfen, indem man die kapitalistische Ökonomie beseitigt, die es verursacht.
Dass es bei der individuellen Hilfe nicht um eine wirkliche Abschaffung des Elends geht, wird schon aus den Zahlen deutlich. Die Hilfsorganisation „Plan“ fördert nach eigenen Angaben weltweit eine Million Kinder, sie rühmt sich seit 1937 bereits zehn Millionen gefördert zu haben. Es gibt aber weltweit allein 800 000 Millionen Menschen, die hungern, und mehrere Milliarden, die in Armut leben, wovon die meisten Kinder oder Jugendliche sind. Die individuelle Hilfe von mitleidbeherrschten Personen in den reichen Industrieländern transportiert eine individualistische Ideologie und ermöglicht das Alibi dafür, den Staatshaushalt für Entwicklungshilfe zu senken.
Ein solches Kind wird nicht nur Dankbarkeit heucheln, um weiter an die Unterstützung zu kommen.(Die Kinder sollen Briefe und Zeichnungen für ihre wohlhabenden Gönner schreiben!) Irgendwann werden sie ihre besseren Chancen begreifen als Folge dieser individualistischen Ideologie und dieser treu bleiben. Sie werden ihre individuelle Karriere über die Entwicklung der Gemeinschaft stellen, aus der sie kommen. Dadurch werden sie einmal befähigt, zur Führungskraft in einem kapitalistischen Betrieb oder der Verwaltung, die ihn fördert, aufzusteigen.
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