Artikel drucken | Reportage Erinnyen Aktuell 13.01.2007 |
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Armutshilfe und Gefühlsmoral |
Als ich vor Jahren mit meinem damals noch kleinen Sohn
durch die Innenstadt von Hannover ging, stand an einer
Ecke ein Clown. Es ist einer der armen Leute, die sich ihr
Geld auf der Straße durch Aktionen verdienen müssen,
dachte ich. Er hatte in seiner Hand eine Menge Luftballons,
die anscheinend mit Helium gefüllt waren, weil sie nach oben
strebten.
Als mein Sohn den Clown mit den Luftballons sah, wollte er
unbedingt einen haben. Als ich jedoch nach dem Preis fragte,
wollte der Clown fünf DM dafür haben. Eine stolze Summe für
eine Ware, die vielleicht 20 Pfennige Wert war. Auf mein
ungläubiges Fragen hin erklärte er mir, dass ich damit eine
Spende für die armen Kinder in Afrika leisten würde. Seine
christliche Aktionsgruppe helfe hungernden Kindern in Nigeria
und anderen afrikanischen Ländern.
Nach einem kurzen Streitgespräch über Religion, mit der ich
nichts am Hut habe, wollte ich schon gehen. Doch die bunten
Luftballons hatten sich bereits derart in das Gehirn meines
Sohnes eingegraben, dass der Tag durch sein Maulen verloren
wäre, wenn ich ihn nicht solch ein buntes Herz kaufen würde.
Außerdem kommt es ja auch den hungernden Kindern zu Gute,
dachte ich mir und kaufte so ein Ding. Zum Abschied gab der
religiöse Clown mir noch einen Zettel mit einer Darstellung
seiner Sekte.
Er hätte das lieber nicht tun sollen. Tagelang ärgerte ich mich
über die fünf Mark, die ich gespendet hatte. Das mögliche
Maulen meines Sohnes wäre mir dagegen wie ein Nichts
erschienen. Auf dem Zettel kam der Name „Jesus“ über dreißigmal
vor, es war die primitivste Erbaulichkeit, die man sich nur
vorstellen kann. Das erleuchtete Lächeln des Clown, das unter
seiner Schminke erkennbar war, hätte mich warnen müssen...
Aber nicht der religiöse Kitsch, der von keinem Gedanken
angekränkelt war, regte mich auf, sondern der Zweck, dem
meine fünf Mark dienen würden: Sie gaben den Kindern in
Afrika Brot, wenn sie in ihre Kirche eintraten. Sobald die
Seele im Kasten klingt, der Bauch in den Himmel springt. Ich
hatte verrückte Missionare unterstützt, die kleine Menschen
mit Brot gefügig machen, um sie mit ihrer Geistessoße zu
verblöden. Die schlimmste Blasphemie, die man sich
vorstellen kann...