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Bodo Gaßmann

Der Protest der Staatsdiener
in der kapitalistischen Demokratie

Die Menschen gehen auf die Straße, um ihre Interessen durchzusetzen – und das ist gut so. Was aber sind ihre Interessen?

Staatsdiener, Angestellte wie Beamte, demonstrieren für ihre partikularen Interessen. In einer kapitalistischen Demokratie sind Beamte Mittel der gewählten Politiker. Damit sie nicht nur Mittel sind, haben sie einen Anspruch auf Lohn bzw. Gehalt. Die Höhe des Gehalts ist nach keiner festen Regel objektivierbar, sondern orientiert sich bestenfalls am historischen Stand des Lohnniveaus in der Gesellschaft. Senken die Regierungen das Gehalt zu stark unter das allgemeine Lohnniveau vergleichbarer Berufe im nichtstaatlichen Sektor, etwa um den Haushalt des Landes zu stabilisieren, dann wandern Staatsdiener zur Industrie ab (immer unter Berücksichtigung auch der Sondervorteile der Beamten wie Unkündbarkeit, höhere Pensionen gegenüber den Renten, geringere Krankenkosten). Die Regierung könnte ihre Aufgabe mit der Staatsmaschine nicht mehr ausreichend erfüllen. Erhöhte Gehälter über vergleichbare Löhne hinaus würden gut qualifizierte Leute anlocken, in den Staatsdienst zu treten.

Nun sind die Haushalte vom Bund und Ländern chronisch verschuldet, ein Ausweichen von Staatsdienern in die Industrie ist bei der bestehenden Arbeitslosigkeit nur wenigen möglich – das führt zu einer permanenten Gehaltsdrückerei auch bei den Staatsdienern. Die Gewerkschaften fordern acht Prozent mehr Geld – der Finanzminister Möllring (Niedersachen), der die Regierungen der Länder vertritt dazu: „überzogen und unbezahlbar“. Diese Ablehnung ist der Grund, warum die Beschäftigten der Länder am Dienstag, d. 3.2.09, in Hannover demonstrierten.

Nach dem Ideal sind Beamte und die anderen Staatsdiener die Vertreter und Exekutoren des Allgemeinen. Sie haben auch ein persönliches Interesse an der Durchsetzung des Allgemeinen (Recht, Steuereintreibung, Schule usw.), weil sie für ihre Tätigkeit mit einem Gehalt belohnt werden. Die Durchsetzung des Allgemeininteresses falle mit ihrem persönlichen Interesse zusammen (so Hegel). Deshalb seien sie die tragende Säule des Staates. Doch der Streik- und Aktionstag in Hannover lässt an diesem Ideal Zweifel aufkommen.

Wie ein Unternehmen so sind auch die Länderregierungen daran interessiert, ihre Kosten soweit wie möglich zu senken, denn die Senkung der Staatsausgaben ermöglicht die Senkung der Steuern und damit die Erhöhung der Masse des Mehrwerts. Dieser Zusammenhang wirft ein Licht auf die Funktion des Staates in diesem Wirtschaftssystem. Sie besteht in der kapitalistischen Demokratie darin, die Kapitalproduktion rechtlich abzusichern und als ideeller Gesamtkapitalist aufrecht zu erhalten. Die Kapitalproduktion hat den Zweck akkumulierbaren Mehrwert zu produzieren, d.h. die Anhäufung von Kapital bei den Vermögenden und die Niederhaltung der lohnabhängigen Mehrwertproduzenten, sodass diese weder selbst Reichtum anhäufen können noch die Eigentumsordnung ernsthaft in Frage stellen dürfen.

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Die Beamten sind zwar überwiegend keine Mehrwertproduzenten (außer bei staatlicher Mehrwertproduktion durch Bahn, Post oder bei VW), als Diener der Staatsmaschine sind sie aber für die reibungslose Funktion der Mehrwertproduktion zuständig. Also vertreten sie die partikularen Interessen der Eigner des produktiven Reichtums in diesem Lande. Ihre Tätigkeit widerspricht also dem Ideal, sie würden für das Allgemeinwohl arbeiten.

Kein individueller Staatsdiener (wie die Lohnabhängigen insgesamt) kann allein wegen seiner Tätigkeit für die partikularen Interessen des Kapitals moralisch beschuldigt werden. Er muss in diesem System von Produktion und Konsum existieren, was er nur kann, wenn er seine Arbeitskraft verkauft. So wie die Staatsdiener das Wirtschaftssystem absichern, so reproduzieren es die anderen Lohnabhängigen: Die eigentlichen Mehrwertproduzenten, die Industriearbeiter, produzieren nicht nur umsonst ein Mehrwert für die Vermögenden, sondern sie reproduzieren auch das Herrschaftssystem, ein System, in dem sie und die Staatsdiener tendenziell zum bloßen Mittel der Kapitalproduktion degradiert werden.

Finanzbeamte setzen die Steuergesetze durch, die nicht nur die Reichen bevorzugen (z.B. durch den willkürlichen Abbruch der Steuerprogression bei 45 %), sondern auch das Kapital weitgehend von der Steuer ausnehmen (reinvestiertes Kapital fällt nicht unter die Einkommenssteuer), letztlich die Kapitalproduktion absichern sollen – das macht die Finanzbeamten zum Exekutor der partikularen Interessen und zu deren Mittel.

Polizei, Gerichts- und Gefängnisbeamte sorgen für die Aufrechterhaltung der Eigentumsordnung, in der das Kapital bestimmend wirkt – das macht sie zu bloßen Mitteln einer Herrschaftsordnung von wenigen über die Masse der Bevölkerung.

Die Lehrer produzieren willige und qualifizierte Arbeitskräfte, insofern sind auch sie bloße Mittel der kapitalistischen Produktionsweise: Mit jeder Note, die sie geben, erziehen sie zum individuellen Konkurrenzkampf, den das ökonomische System braucht; mit jedem Methodentraining lassen sie die Beliebigkeit des Inhalts (Gebrauchswerte), also die Mechanismen der Kapitalproduktion in das schulische Lernen durchschlagen; mit jeder Disziplinierung exekutieren sie das Menschenbild, das in der entfremdeten Produktion gebraucht wird.

Selbstverständlich ist nicht jede Tätigkeit allein durch das Kapital oder seine Sachzwänge bestimmt. Lehrer vermitteln immer noch Allgemeinbildung, Krankenschwestern heilen Kranke, Polizisten schützen die Bürger vor Kriminellen, Feuerwehrleute löschen Brände. Aber auch diese scheinbar vernünftigen Tätigkeiten sind durchtränkt von dem durch das Kapital bestimmten Umfeld. Welches Krankenhaus musste nicht einmal entscheiden zwischen Kosten und Gesundheit? Ist nicht oft ein Feuer ausgebrochen, weil die Eigentümer ihr Gebäudekapital aus wirtschaftlichen Gründen nicht richtig abgesichert haben? Was nützt die vermittelte Allgemeinbildung, wenn zugleich das Bewusstsein in anderen Bereichen verblödet wird? Und gibt es nicht einen Zusammenhang zwischen Eigentumsordnung und Kriminalität?

Alle Beamten und Staatsdiener müssen Tätigkeiten verrichten, die mit ihrer Vernunft nicht übereinstimmen. Das aber ist würdelos wie jede Art der Lohnarbeit auch. Ihre moralische Pflicht wäre es, wenn sie nicht ihre Denktätigkeit und ihre Vernunft an der Garderobe zu ihrer entfremdeten Institution abgeben, diesen Zusammenhang ihrer Tätigkeit mit den Mechanismen des automatischen Subjekts, dem Kapital, in ihr Bewusstsein zu heben und zu begreifen. Sie müssten dann als autonom Denkende, aber real abhängige Individuen sich nicht nur um partikularere Interessen an mehr Geld solidarisieren, sondern sich auch  für das Allgemeininteresse an der Abschaffung einer Produktionsweise stark machen, die unmoralisch ist, weil sie die Menschen zum bloßen Mittel herabwürdigt.

Davon war aber auf der Demonstration der Beamten und Staatsdiener in Hannover nichts zu hören und nichts zu sehen. Stattdessen personalisierten die Redner der Gewerkschaften den anonymen Mechanismus der Kapitalproduktion. Sie lenkten die Wut der Kollegen auf Popanze wie Banker, Manager und sture Minister, als ob nicht diese Charaktermasken austauschbar sind. Sie lenkten ab von dem System, das die Reichen immer reicher und den abhängig Beschäftigten die Lohnmenge senkt. Ja, sie dokumentierten – trotz aller kritischen Rhetorik – ihr Einverständnis mit diesem Wirtschaftssystem, indem sie die Forderungen nach höheren Löhnen mit der Stärkung der Kaufkraft begründeten, damit die Produktion des Kapitals wieder gefördert wird. Selbst in seinem Konsum soll der Abhängige nur noch als bloßes Mittel gelten.

Das Ideal des Kapitals ist es, den Lohn auf Null zu senken. Ginge die gesamte Produktion ins Ausland, würde also die Kaufkraft der Menschen keine Rolle für die Produktion um der Produktion willen mehr spielen, dann müssten die Gewerkschaftsfunktionäre ihre Mitglieder konsequent zum Verhungern auffordern.

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Letzte Aktualisierung:  02.09.2010

                                                                       
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